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2021 – kein wandel in sicht

Last updated on 7 January 2021

Vor drei Tagen, am 3.1.2021, habe ich uns allen ein wandelbares 2021 gewünscht. 

Wünschen tue ich es uns immer noch. Bisher allerdings stehen die Anzeichen nicht danach, dass mit Blick auf Schule und Bildung ein Wandel abzeichnen würde. Im Gegenteil. 

Die Corona-Infektionszahlen – derzeit laut RKI nicht belastbar – steigen, ebenso die Todesfälle. Gestern – am 5.1.2021 – ist deshalb die Verlängerung des Lockdowns beschlossen worden. Auch die Aussetzung des Präsenzunterrichts. Das ist erstmal richtig. Es ist nicht schön, nicht bequem, und für viele Familien eine echte Herausforderung. Aber epidemiologisch angesagt. 

Das hätte jetzt eine Chance gegeben – die Chance, die man im März verpasst hat. Nämlich jetzt mit aller Ehrlichkeit zu sagen, es geht um Bildung und um Lernen. Das heißt: wie können wir es jetzt hinkriegen, dass Kinder und Jugendliche in dieser Zeit möglichst gut und sicher lernen? Also die Fragen beantworten (zügig!), die längst bekannt sind und seit dem Sommer hätten beantwortet werden müssen. Als da wären, unter anderem: 

  • Wie halte ich den Kontakt mit “meinen” Kindern? 
  • Welche Ausstattung haben und welche brauchen die Kinder? 
  • Wie geht schulisch angeleitetes Lernen? Welche Methoden setze ich als Lehrkraft ein? Wie kann ich im Distanzlernen im Team arbeiten? 
  • Wer ist gefährdet und wie kann ich diesen Kindern und Jugendlichen sichere Räume geben? 

Und von Seiten der Politik: 

  • Was honorieren wir Care Arbeit? 
    • Also: was brauchen Eltern, damit sie ohne finanzielle Gefährdung schulisch angeleitetes Lernen unterstützen können (NICHT: Homeschooling machen können!)? 
    • Und: Was brauchen Eltern von ihren Arbeitgebern, damit sie Kinder betreuen und arbeiten können (kleiner Hinweis: Beharren auf vereinbarten Stunden ist es nicht :))

Und so weiter. 

Katastrophal dagegen ist, was u.a. die Berliner Senatsverwaltung daraus gemacht hat: ab dem 18. bzw. 25.1. sollen erste bis dritte bzw. 4. bis 6. Klasse täglich für drei Stunden im Teilungsunterricht beschult werden. 

Ab dem 1.2. sind Winterferien. In den letzten beiden Wochen vor den Ferien sind in der Regel alle Arbeiten geschrieben, alle Konferenzen abgehalten, alle Noten stehen fest. Was bedeuten also die drei Stunden Präsenz? 

  • Lehrkräfte:  können sich jetzt nicht vier Wochen lang auf gutes schulisch angeleitetes Lernen konzentrieren und darauf vorbereiten, dass das ggf. weitergeht. Stattdessen müssen sie gleichzeitig: 
    • MInimalpräsenzunterricht vorbereiten (zur Erinnerung: in einem Zeitraum, in dem sonst vielleicht Filme geschaut würden oder für Fasching gebastelt. Letzte Woche vor den Ferien halt), für zwei Gruppen; ggf. gleichzeitig auch noch Notbetreuung machen. 
    • Schulisch angeleitetes Lernen für die übrigen vorbereiten
    • Ihre eigenen Kinder in die Notbetreuung geben  – oder irgendwie nebenbei betreuen, während sie Präsenz, Distanz und Hybrid gleichzeitig machen. 
  • Eltern: können jetzt keinen für ihre Familie passenden Rhythmus etablieren, Kinderkrankengeld beantragen (das übrigens reicht, gemeinsam, maximal für den Januar. Ein Ende nach den Winterferien ist aber epidemiologisch nicht wahrscheinlich) und das Beste aus der Situation machen. Stattdessen müssen sie gleichzeitig: 
    • Ersatzlehrkraft spielen
    • bei mehreren Kindern: vorhersagbar unvorhersehbare Präsenzzeiten kombinieren
    • schätzungsweise ohne Kinderkrankengeld trotzdem nicht arbeiten können, weil in drei Stunden am Tag auch keine Halbtagsstelle zu erledigen ist – schon gar nicht, wenn Home Office keine Option ist.
  • Kinder: lernen, dass es um ihr Lernen nicht geht. Sondern darum, dass die Politik sie wegorganisieren und die Institution Schule um ihrer selbst willen erhalten möchte, nicht, um Bildung zu garantieren. Ja – sie sehen ihre Klassenkamerad*innen für drei Stunden am Tag. Unter Hygienevorschriften und mit Abstand. Fast ohne Pausen, ohne Zeit zum Spielen, ohne Gruppenarbeit, ohne gemeinsame Unternehmungen. Stattdessen wird viel verwechselt:
    • Stoff mit Lernen
    • Anwesenheit mit Lernzeit
    • im selben Raum zu sein mit Gemeinschaft

Kinder mit Förderbedarfen und ihre Eltern, übrigens, werden lediglich an einer Stelle in der Berliner Pressemitteilung erwähnt: “An Schulen mit dem sonderpädagogischen Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung sowie für Klassen mit dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung können in Absprache mit der Schulaufsicht abweichende Regelungen festgelegt werden”. Die Erfahrung zeigt, dass das nicht notwendig bedeutet, dass diese Kinder mehr Angebote erhalten. Es kann auch heißen: sie werden – wie im Frühjahr – gar nicht beschult und Eltern mit der Situation alleine gelassen. 

Die Lehre? 

Es scheint: Politik und Wirtschaft wollen gar keine Bildung und kein Lernen. Sie wollen den schon längst vergangenen Status Quo erhalten, offenbar für eine vielleicht auch nur imaginäre Wählerschaft, die durch Parolen zu beeindrucken ist (“Schulen offen halten! Es geht um die Bildung! Kinder sind keine Treiber!”). Ginge es um Bildung – dann wären die vielen, vielen guten Vorschläge und Ideen aus dem letzten Jahr (wie schon hier zitiert) umgesetzt worden und da hinein investiert, statt sie zu verbieten (ebenda). Es wären die unterliegenden Themen angegangen worden: Bildungsgerechtigkeit, Kinderarmut, häusliche Gewalt, prekäre Jobs, verpasste Digitalisierung, Geringschätzung von Care Arbeit und systemrelevanten Berufen besonders im Gesundheitssystem. Stattdessen werden TUI und Lufthansa – das eine weitgehend im Ausland ansässig, das andere Verbraucher klimaschädlicher Energien en gros – mit Milliarden unterstützt.

Es gäbe viele gute Lösungen. Um sie umzusetzen, müsste man aber Wandel wollen. Derzeit stehen die Zeichen nicht danach. 

Schade. 

Published inCoronaInklusionSchule

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